Am 1. August 1976 gab es zwei Ereignisse, die den Österreichern bis heute
im Gedächtnis geblieben sind: Der Einsturz der Reichsbrücke knapp vor fünf Uhr früh
und der Feuerunfall von Niki Lauda auf dem Nürburgring, den er schwer verletzt
überlebte.
Um 4.43 Uhr stürzte in Wien die Reichsbrücke ein. An einem Durchschnittstag von etwa
18.000 Fahrzeugen pro Stunde frequentiert, befanden sich zu diesem Zeitpunkt gerade vier -
im Brückenbereich. Ein Personenauto stürzte mit ab, dessen 22-jähriger Lenker
verunglückte tödlich. Ein passagierloser Autobus der Wiener Verkehrsbetriebe stürzte
mit der einbrechenden Brücke ab. Der Lenker konnte unverletzt vom Dach des Busses
geborgen werden. Die Bergung des Busses gelang erst nach mehreren vergeblichen Versuchen
am 9. August. Ein Pannenfahrzeug und ein VW blieben in Schräglage auf der Brücke
hängen. Ein rumänisches Passagierschiff sowie das DDSG-Schiff "Passau" wurden
durch herabfallende
Trümmer beschädigt. Bereits um 6.30 Uhr trat unter dem Vorsitz von Bürgermeister
Leopold Gratz im Wiener Rathaus ein Krisenstab zusammen. Bürgermeister Gratz nahm sofort
Kontakt mit Bautenminister Moser wegen des Baus einer Behelfsbrücke auf. Die Versorgung
des 21.
und 22. Bezirks mit Gas, Wasser und Strom funktionierte. Die
Telefonleitungen waren zum Teil unterbrochen. Der Krisenstab beschloss für den Raum
Reichsbrücke eine Reihe von Verkehrsmaßnahmen sowie die Einrichtung einer
Telefon-Kurznummer 15 35, um die Bevölkerung über die getroffenen Maßnahmen zu
informieren. Bereits in den Nachmittagsstunden gaben der Bürgermeister und der
Bautenminister bekannt, dass eine vom Bund und Stadt gemeinsam eingesetzte, aus vier
Universitätsprofessoren bestehende Untersuchungskommission die Ursachen für den Einsturz
detailliert und so rasch wie möglich prüfen wird. Es wurde auch veranlasst, dass der
gesamte Prüfbericht über die Ursachen des Einsturzes der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht wurde. Am 4. August wurden die Arbeiten mit den beiden Baggerschiffen
"Marcus" und "Kronau" zur raschen Freimachung einer neuen
Schiffahrtsrinne an der Einsturzstelle aufgenommen.
Am 5. August meldete sich Planungsstadtrat Ing. Fritz Hofmann telefonisch
im Wiener Rathaus. Hofmann befand sich im Urlaub und war telefonisch nicht erreichbar
gewesen. Bürgermeister Leopold Gratz bot am 6. August in einer Sitzung des Wiener
Ausschusses der SPÖ seinen Rücktritt an. Der Ausschuss fasste den einstimmigen
Beschluss, Gratz aufzufordern, die Verantwortung für Wien weiter zu tragen.
Am 6. August begann das Bundesheer mit der Räumung der Brückentrümmer.
Am 6. August legte Stadtrat Hofmann legte seine Funktion als Amtsführender Stadtrat
nieder.
In den folgenden Tagen wurde von Stadtbaudirektor Dipl.-Ing. Anton Seda eine zentrale
Koordinationsstelle für die Einsatzarbeiten in der Baukanzlei des Bundesstrombauamtes
eingerichtet.